Pflege bei Osteoporose

17.04.2024

17 Minuten Lesedauer

Pflege bei Osteoporose

Über sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden an Knochenschwund – 80 Prozent von ihnen sind Frauen. Osteoporose gehört zu den häufigsten Erkrankungen im höheren Lebensalter. Ist sie stark ausgeprägt, geben die fragilen Knochen mitunter schon bei geringer Krafteinwirkung nach und brechen. Jeder Stolperer über die Teppichkante kann schwerwiegende Folgen haben. In der Pflege ist daher erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Insbesondere erfordern die eingeschränkte Mobilität und chronische Schmerzen besondere Maßnahmen. Zudem sind regelmäßige Bewegung und gezieltes Training in jeder Phase der Erkrankung wichtig. Dieser Artikel gibt Einblicke in die Auswirkungen dieser Erkrankung und verdeutlicht, wie Sie Betroffene bei der Pflege unterstützen können.

Was ist Osteoporose?

Osteoporose ist eine Erkrankung des Skeletts, bei der die Knochenmasse stärker schwindet als altersbedingt normal ist. Mit der Zeit nimmt dadurch die Knochendichte ab, zugleich verschlechtert sich die Knochenstruktur. Die Knochen verlieren an Festigkeit, werden porös und brüchig. Selbst bei geringer Belastung oder sogar ohne erkennbaren Grund kann es zu einer Fraktur kommen. Neben einer verringerten Knochendichte gibt es weitere Gründe, die bei einem osteoporosebedingten Knochenbruch eine Rolle spielen – etwa wie effektiv bestimmte Mineralien in die Knochen eingelagert werden oder wie gut der Körper kleine Schäden im Knochengewebe reparieren kann.

Verschiedene Faktoren können Knochenschwund begünstigen: genetische Veranlagung, Östrogenmangel durch die Wechseljahre, aber auch bestimmte Medikamente und Erkrankungen oder lange Immobilität. Oft entwickelt sich eine Osteoporose schleichend und wird erst festgestellt, wenn es zum ersten Knochenbruch kommt. Laut Studien wird weniger als ein Viertel aller Fälle frühzeitig diagnostiziert und adäquat behandelt. Die Erkrankung kann durch eine gesunde Lebensweise (Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum fördern den Knochenabbau!), ausreichend Bewegung, eine kalziumreiche und Vitamin B-reiche Ernährung und gegebenenfalls medikamentöse Therapien behandelt werden.

Die Medizin unterscheidet zwei Formen von Osteoporose:

  • Primäre Form: Diese häufigste Form der Osteoporose tritt im Alterungsprozess auf. Sie entwickelt sich häufig symptomlos über Jahre hinweg und betrifft vorwiegend Frauen nach dem Östrogenverlust durch die Menopause und Männer ab 60 Jahren sowie beide Geschlechter im Alter. Häufig leiden Betroffene zugleich auch unter altersbedingtem Muskelschwund (Sarkopenie).
  • Sekundäre Form: Diese Form der Osteoporose ist eine Begleiterscheinung bereits bestehender Krankheitsbilder, zum Beispiel Rheuma, Diabetes, Morbus Crohn oder einer Schilddrüsenstörung. Auch Medikamente können für eine sekundäre Osteoporose verantwortlich sein. Hier sind insbesondere Kortison-Präparate und die Antihormontherapie zu nennen. Letztere wird Frauen nach einem hormonempfindlichen Brustkrebs verordnet und unterdrückt die Östrogenproduktion vollständig.

Was sind die Folgen einer Osteoporose?

Sind die Knochen porös, halten sie den Anforderungen des Alltags mitunter nicht mehr stand. Die Folgen sind vermehrte Knochenbrüche – oft reicht schon das Anheben einer schweren Einkaufstasche. Die Frakturen können zu chronischen Schmerzen führen und Mobilität und Lebensqualität schwer beeinträchtigen. Sie treten oft an typischen Stellen auf, vorrangig an den Wirbelkörpern in der Lendenwirbelsäule, dem Oberschenkelhals und der Speiche im Handgelenk.

In vielen Fällen heilen Osteoporose-Frakturen schlecht, da die porösen Knochen nur langsam wieder zusammenwachsen. Im ersten Jahr nach einem Bruch ist das Risiko, eine weitere Fraktur zu erleiden, sehr hoch.

Wirbelkörperfrakturen können bei manchen Personen starke Rückenschmerzen hervorrufen. Ist die Osteoporose weiter fortgeschritten und sind bereits einige Wirbelkörper gebrochen, verkürzt sich die Wirbelsäule. In der Folge nimmt die Körpergröße ab, es kann zu einer gekrümmten Haltung kommen. Insbesondere Oberschenkelhalsbrüche haben für Betroffene oft gravierende Folgen: 20 Prozent der Patient:innen verlieren darüber ihre Selbstständigkeit und werden zum Pflegefall. Generell kann Osteoporose zu erheblichen psychischen Belastungen führen. Viele Betroffene haben etwa große Angst vor weiteren Brüchen oder einem Verlust ihrer Unabhängigkeit.

Welche Therapiemöglichkeiten bei Osteoporose gibt es?

Osteoporose ist bislang nicht heilbar. Doch die Erkrankung lässt sich bremsen. Die Art der Behandlung hängt vom Schweregrad und den körperlichen Voraussetzungen der Patient:innen ab. Generell setzt sich die Osteoporose-Therapie aus Lebensstilmaßnahmen – der sogenannten Basistherapie – und der medikamentösen Therapie zusammen. Wurde im Rahmen einer Knochendichtemessung eine verminderte Knochendichte festgestellt, sollte umgehend mit der Basistherapie begonnen werden, bevor es überhaupt zu einem Knochen- oder Wirbelbruch kommt.

Basistherapie

Zu jeder Osteoporose-Therapie gehören eine kalziumreiche, ausgewogene Ernährung, eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D und regelmäßige Bewegung. Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum lassen dagegen die Knochen brüchig werden.

Medikamentöse Therapie

In den letzten Jahren ist das Behandlungsarsenal an Medikamenten gegen Osteoporose gewachsen, die gezielt in den Knochenstoffwechsel eingreifen. Neben den am meisten verordneten Bisphosphonaten, die den Knochenabbau hemmen, gibt es weitere Wirkstoffe, die entweder den Knochenverlust bremsen (sogenannte Antiresorptiva) oder den Knochenaufbau stimulieren (Osteoanabolika). Hormonpräparate mit Östrogenen können einer postmenopausalen Osteoporose entgegenwirken. Sie dürfen allerdings nur verordnet werden, wenn zugleich Wechseljahresbeschwerden vorliegen. Für schwere Fälle mit hohem Bruchrisiko stehen inzwischen auch moderne Antikörper-Wirkstoffe aus der Klasse der zielgerichteten Therapien zur Verfügung. Sie können die Produktion von neuer Knochensubstanz stimulieren und auch die Mikroarchitektur und damit die Struktur verbessern.

Welches Medikament (siehe Übersicht unten) zum Einsatz kommt, bespricht die behandelnde Ärztin mit dem Patienten oder der Patientin individuell. Es ist wichtig, dass die medikamentöse Therapie mit Bewegung kombiniert wird. Denn die Arzneien wirken besser, wenn Patient:innen körperlich aktiv sind.
Bei schweren Formen der Osteoporose und fortgeschrittenem Zustand ist in manchen Fällen eine Operation erforderlich. Chirurg:innen fixieren dann Knochenbrüche, richten die Wirbelsäule operativ wieder auf oder setzen künstliche Gelenke ein.

Übersicht von Medikamenten bei Osteoporose

  1. Bisphosphonate: Diese Medikamente verlangsamen den Knochenabbau, indem sie die Aktivität der Knochen abbauenden Zellen (Osteoklasten) reduzieren. Dadurch erhöht sich mit der Zeit die Knochendichte, das Frakturrisiko verringert sich.
  2. Denosumab: Der Antikörperwirkstoff richtet sich gegen ein bestimmtes Eiweiß, das die Aktivität von Osteoklasten steuert. Der Abbau von Knochenzellen wird verhindert.
  3. Hormonersatztherapie (HRT): Östrogen hilft, den Knochenabbau zu verlangsamen und die Knochenmasse zu erhalten. Eine HRT wird bei postmenopausalen Osteoporose-Patientinnen nur angewendet, wenn zugleich klimakterische Beschwerden vorliegen, da das Brustkrebsrisiko leicht steigt.
  4. Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs): Diese Medikamente wirken ähnlich wie Östrogen und können den Knochenabbau verlangsamen. Im Gegensatz zur HRT erhöhen sie das Brustkrebsrisiko nicht.
  5. Teriparatid und Abaloparatid: Beide Antikörper-Wirkstoffe sind Formen von Parathormon, einem Hormon, das die Knochenneubildung fördert. Sie kommen bei einem erhöhtem Bruchrisiko in Frage, bei denen sich der Krankheitsverlauf trotz Vortherapie verschlechtert.
  6. Romosuzumab: Ein Antikörper, der den Knochen¬aufbau fördert und zugleich in geringem Maße auch den Knochen¬abbau hemmt.

Wie sieht die Pflege bei Osteoporose aus?

Es gibt einige wichtige pflegerische Maßnahmen im Umgang mit Betroffenen. Zu einer guten Pflegeplanung bei Osteoporose zählen Sturzprophylaxe, Bewegungsförderung, Ernährung und Schmerzlinderung.

Sturzprävention

Da Menschen mit Osteoporose ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche haben, ist es enorm wichtig, Stürze zu vermeiden. Dabei hilft zum einen gezieltes Bewegungstraining aus Balance- und Koordinationsübungen, die Motorik und Gleichgewicht verbessern. Zum anderen sollte die Umgebung sicher gestaltet sein, indem Hindernisse entfernt, rutschfeste Unterlagen angebracht werden und wenn nötig Hilfsmittel wie Gehhilfen oder Rollstühle vorhanden sind. Die Wohnung sollte gut ausgeleuchtet sein, zum Beispiel wenn man nachts auf die Toilette muss. Achten Sie auch darauf, in der Küche häufig benutzte Gegenstände in Greifhöhe aufzubewahren, um nicht auf wackelige Hocker und Leitern steigen zu müssen. So können Pflegebedürftige trotz Osteoporose und eingeschränkter Mobilität weiter im vertrauten Zuhause leben. Nach den aktuellen Leitlinien wird alten Menschen mit erhöhtem Sturzrisiko, insbesondere in Pflegeeinrichtungen, das Tragen passender Hüftprotektoren empfohlen, um einen Oberschenkelhalsbruch zu verhindern.

Beispiele für wohnraumverbessernde Maßnahmen:

  • Rampen anstelle von Stufen
  • Treppenlift
  • Handläufe
  • Griffe im Badezimmer oder neben der Toilette
  • Sitzgelegenheit in der Dusche
  • Hohe Türschwellen, etwa zum Balkon, begradigen
  • Stolperfallen wie Teppiche und lose Kabel beseitigen
  • Beleuchtung optimieren

Gut zu wissen: Der Staat beteiligt sich mit Fördermitteln, wenn es darum geht, Wohnraum und Badezimmer barrierefrei zu gestalten.

Bewegungsprogramm

Pflegende sollten Osteoporose-Patienti:innen dabei unterstützen, sich so viel wie möglich zu bewegen – immer angepasst an die individuellen Möglichkeiten. Spaziergänge, vielfältige körperliche Aktivität und funktionelle Übungen helfen dabei, die Muskelkraft und die Knochengesundheit zu erhalten. Insbesondere gewichtsbelastende Sportarten, bei denen der Körper durch Bewegungen und Belastungen Druck auf die Knochen ausübt – zum Beispiel beim Tanzen oder Krafttraining – fördern die Knochendichte. Studien zeigen etwa, dass zwei- bis dreimal pro Woche durchgeführter Kraftsport das Frakturrisiko nachweislich senkt. Selbst in hohem Alter lässt sich eine Verbesserung erreichen. Falls das Sturzrisiko sehr groß ist: Wassergymnastik ist auch bei schwerer Erkrankung häufig möglich. Sie stärkt die Muskulatur, entlastet die Wirbelsäule und regt den Stoffwechsel an. Gleichzeitig ist die Verletzungs- oder Sturzgefahr gering.

Medikamentenmanagement

Für viele Patient:innen ist die dauerhafte Einnahme der Medikamente eine Herausforderung. Hier können Angehörige unterstützen und auf eine korrekte Einnahme und Dosierung achten. Es ist zum Beispiel wichtig, dass Bisphosphonate – die gängigsten Osteoporose-Medikamente – morgens auf nüchternen Magen und in einer aufrechten Position eingenommen werden und Bücken oder Liegen für mindestens eine halbe Stunde vermieden wird. Dies soll den reibungslosen Transport des Medikaments durch die Speiseröhre erleichtern und mögliche Rückflüsse in die Speiseröhre verhindern. Die genauen Einnahmehinweise hängen vom spezifischen Medikament ab, daher sollte man die Anweisungen des Arztes bzw. der Ärztin genau befolgen.

Knochenfreundliche Ernährung

Eine ausgewogene Ernährung mit der nötigen Menge an Vitamin D, Mineralstoffen, Kalzium und Eiweiß ist entscheidend für die Gesundheit von Knochen und Muskeln. Mangel- und Fehlernährung sowie Untergewicht gilt es zu vermeiden. Die allgemeinen Empfehlungen laut der aktuellen Leitlinien:

  • Täglich sollten 1000 mg Kalzium (z. B. in Milchprodukten, Hülsenfrüchten, grünem Gemüse, kalziumreichem Mineralwasser) aufgenommen werden, wenn notwendig auch durch Hinzunahme von Supplementen.
  • Die generell empfohlene Tagesdosis an Vitamin D beträgt 800 I.E. (Internationale Einheiten)/Tag.
  • Bei erhöhtem Sturzrisiko ab 65 Jahren wird 1,0 g Eiweiß/kg Körpergewicht/Tag empfohlen

Hilfe bei der Körperpflege Ist die Beweglichkeit durch eine Osteoporose eingeschränkt, können sich Betroffene mit der Körperpflege schwertun. Möglicherweise braucht es dabei Unterstützung durch Sie als Angehörige. Auch praktische Hilfsmittel wie Bürsten mit langem Stil können die Körperhygiene erleichtern.

Schmerzlinderung

Osteoporose kann zu chronischen Schmerzen führen, daher ist eine angemessene Schmerztherapie wichtig. Viele Betroffene leiden zum Beispiel unter starken Rückenschmerzen. Verschiedene Maßnahmen können Schmerzzustände lindern und Muskelverspannungen lösen. Dazu zählen

  • Wärmeanwendungen, die die Durchblutung fördern und die Muskulatur lockern
  • Kälteanwendungen bei akuten Schmerzen
  • Massagen und Entspannungstechniken
  • Stufenlagerung, bei der die Beine der Patientin oder des Patienten auf einem Schaumstoffblock gelagert, Hüft- und das Kniegelenk so in einen 90°-Winkel gebracht werden

Häufige Fragen

Kann man bei einer Osteoporoseerkrankung eine Pflegestufe beantragen?

Bei einer Osteoporoseekrankung kann man eine Pflegestufe bzw. einen Pflegegrad beantragen. Damit dem Antrag stattgegeben wird, muss man dem Pflegeversicherer gegenüber nachweisen, dass man im Alltag nicht mehr ohne Hilfe zurechtkommt. Je höher die Einschränkung, desto höher der Pflegegrad. Die Entscheidung über die Gewährung einer Pflegestufe erfolgt anhand eines Gutachtens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder einen anderen entsprechenden Dienst.

Welche Pflegestufe gibt es bei Osteoporose?

Es gibt keine spezifische Pflegestufe, die ausschließlich für Menschen mit Osteoporose gilt. Menschen mit Osteoporose können in einen Pflegegrad eingestuft werden, wenn die Erkrankung ihre Selbstständigkeit beeinträchtigt und sie auf Hilfe bei den Aktivitäten des täglichen Lebens angewiesen sind. Die Einstufung erfolgt auf Basis des individuellen Hilfebedarfs und der Beeinträchtigungen, die durch die Osteoporose verursacht werden, sowie anderer gesundheitlicher und sozialer Faktoren.

Was sind Warnsignale für mögliche Frakturen oder Komplikationen?

Warnzeichen für mögliche osteoporosebedingte Komplikationen oder Frakturen können plötzliche oder starke Schmerzen im Rücken, im Hüftbereich oder an anderen Knochen sein, die sich nach einem Sturz oder ohne erkennbare Ursache entwickeln. Auch eine Veränderung der Körperhaltung, wie eine abgerundete Schulterhaltung oder ein Verlust an Körpergröße, könnten auf eine Wirbelfraktur hinweisen. Wenn Sie solche Symptome bemerken, sollte ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden.

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Zuletzt Aktualisiert am: 17.04.2024

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