Saskia Weiß ist Diplom-Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin und kam über ein Praktikum zur Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Auslöser für das Praktikum war die Demenzerkrankung des Großvaters und die Gespräche mit ihrer Großmutter, in denen sie merkte, was alles hinter dieser Erkrankung steckt – sowohl für den Betroffenen als auch für die Menschen um ihn herum. Wir haben mit Saskia über Symptome, Präventionsmaßnahmen und die wichtige Rolle der Angehörigen gesprochen.
Bevor wir näher auf die Demenzerkrankung eingehen – was kann ich präventiv tun, um einer Demenz-Erkrankung vorzubeugen?
Saskia Weiß: Man kann tatsächlich einiges tun. Woran wir allerdings wenig ändern können und was gleichzeitig der größte Risikofaktor einer Alzheimer-Demenz ist, ist das Alter. Wir sollten also darauf achten, dass wir gesund alt werden.
Bei den sogenannten vaskulären Demenzen, die durch Durchblutungsstörungen hervorgerufen werden, kann man präventiv tatsächlich sehr viel tun. Zu den Präventionsmaßnahmen gehören klassische Dinge, wie man sie auch von Herz-Kreislauf-Erkrankungen kennt: eine gesunde, ausgewogene Ernährung, genug Bewegung, wenig Alkohol, nicht rauchen. Daneben spielen weitere Faktoren eine Rolle, beispielsweise sozial aktiv sein, sich trauen, etwas Neues auszuprobieren, um so das Gehirn zu fordern. Dabei muss es kein Instrument sein, das man neu erlernt. Es reicht auch, einfach mal Gabel und Messer in jeweils die andere Hand zu nehmen. Beginnt man mit Präventionsmaßnahmen so früh wie möglich, kann das Risiko einer durchblutungsbedingten Demenz stark minimiert werden.
Bei einer Alzheimererkrankung oder bei frontotemporaler Demenz sieht es leider nicht so gut aus. Hier wissen wir nach wie vor nicht genau, warum eine Person erkrankt und eine andere nicht, obwohl sie vielleicht eine ähnliche Lebenssituation haben.
Kommen wir nun zu den Symptomen einer Demenz – wir erkenne ich die Erkrankung?
Saskia Weiß: Die Klassikerfrage und nicht so einfach zu beantworten! Der normale Reflex ist, dass wir mögliche Anzeichen zunächst einmal wegschieben – zum Beispiel auf das Wetter „Es ist so heiß, da hab‘ ich das ganz vergessen“ oder auf den Stress „Es ist so viel los momentan.“ Die Idee, dass es eine Demenz sein könnte, kommt immer dann, wenn eine Häufung auftritt: Termine werden ständig vergessen, Namen werden nicht so schnell erinnert, im Gespräch fehlen die Worte oder das Thema des Gesprächs wird gar nicht erfasst. Auf diese Idee bzw. dieses Bauchgefühl darf man sich dann auch verlassen und lieber einmal zu viel zum Arzt gehen als zu wenig.
Eindeutiger wird es, wenn Termine vergessen werden, dann aber die Einsicht fehlt und stattdessen behauptet wird, man wäre nie verabredet gewesen. Spätestens jetzt
ist die ärztliche Abklärung wichtig. In unseren Infoveranstaltungen und Beratungsterminen ermuntern wir dazu, die Diagnostik zu machen, um eine Erklärung und eine Bestätigung für die Veränderung zu haben. Unter Umständen handelt es sich auch um eine behandelbare Erkrankung, die zugrunde liegt. Außerdem haben Angehörigen gute Erfahrungen damit gemacht, den ersten Hausarztbesuch durch einen Vorabkontakt vorzubereiten: Sie rufen an und sagen, dass ihnen dies und das in der letzten Zeit bei der betroffenen Person aufgefallen ist und ob man darauf mal ein Auge werfen könnte. Mit diesem Augenmerk und ein paar Fragen kann der Arzt in der Regel gut checken, ob eine Überweisung zum Neurologen gerechtfertigt ist oder nicht.
Die Angehörigen von Demenzerkrankten leisten eine große Arbeit – wo erhalten sie Unterstützung?
Saskia Weiß: Angehörige können sich zum Beispiel auf unsere Webseite oder auf der Seite des Familienministeriums umfassend informieren. Es gibt viele Ratgeber und Broschüren, die darüber aufklären, was eine Demenz ist und was ich als Angehöriger tun kann. Dazu gibt es Beratungsstellen vor Ort oder auch eine telefonische Beratung am Alzheimer-Telefon. Uns erreichen jedes Jahr zwischen 5.000 und 6.000 Anrufe und Mails von Angehörigen, die uns um Hilfe bitten. Oftmals beraten wir auch bei Schwierigkeiten im Umgang mit den Betroffenen. Neben der Beratung bieten gemeinnützige Vereine konkrete Unterstützung. Sie besuchen die Betroffenen zu Hause und verbringen Zeit mit dem Erkrankten. Das ist ein Aktivierungsangebot für den Erkrankten, gleichzeitig ein Entlastungsangebot für den pflegenden Angehörigen. Diese Angebote gibt es auch als Gruppenangebot. Zudem gibt es Gesprächsgruppen für Angehörige, oder Gesprächsgruppen zwischen den Betroffenen im Anfangsstadium. Nicht zu vergessen die diversen ambulanten oder teilstationären Angebote wie Tagespflege, Kurzzeitpflege oder Verhinderungspflege.
Welche Rolle spielen die Familien/Angehörigen, wenn die erkrankte Person in einer Pflegeeinrichtung ist? Wie können sie die Arbeit der Pflegenden unterstützen?
Saskia Weiß: Beide Seiten – die Angehörigen und die Pflegenden müssen Verständnis füreinander aufbringen sowie ein gewisses Maß an Offenheit und Sensibilität. Als Angehöriger habe ich auf der einen Seite eine bestimmte Vorstellung, wie Pflege laufen soll. Auf der anderen Seite kann in einer Pflegeeinrichtung nicht alles so individuell ablaufen, wie ich es zu Hause gewohnt war. Wir bestärken Angehörige darin, ins Gespräch zu gehen – nicht unbedingt auf dem Flur, wenn die Pflegekräfte in Eile sind. Beim Einzug sollte klar sein, wer die richtigen Ansprechpartner sind und wie Angehörige sich einbringen können – zum Beispiel durch Kuchen backen oder Kaffee ausschenken. So bekommen auch Angehörige einen Einblick in den Alltag in der Pflegeeinrichtung. Und die Pflegekräfte können Tricks und Kniffe von den Angehörigen lernen, die die Demenzerkrankten ja viel besser kennen. Kommunikation ist der Schlüssel!
Welchen Nutzen haben nicht-medikamentöse Therapien bei der Behandlung einer Demenzerkrankung?
Saskia Weiß: Für Menschen mit Demenz spielen nicht-medikamentöse Therapien eine große Rolle. Mit Musiktherapien, künstlerischen Therapien oder Sporttherapien werden gute Erfolge erzielt. Pflegeheime sind ein Lebensort und gerade nicht-medikamentöse Therapien helfen dabei, Fähigkeiten zu erhalten, Erinnerungen wachzurufen, die Kommunikationsfähigkeit zu fördern und dadurch das Selbstwertgefühlt zu stärken. Die Biografie des Demenzerkrankten spielt dabei natürlich eine wichtige Rolle. Wer früher schon gerne gesungen hat oder im Sportverein war, der macht das auch gern im Pflegeheim. Hier ist wichtig, dass die Pflegekräfte über das nötige Hintergrundwissen verfügen.
Tipp: Kommen Sie zu unserem Demenzkongress nach Fürth. Vom 10. bis zum 12. Oktober laden wir alle ein, denen das Thema Demenz am Herzen liegt. Der Kongress ist für alle offen: Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, alle, die haupt- und ehrenamtlich in Beratung, Betreuung, Pflege und Therapie, Medizin und Wissenschaft tätig sind, sowie alle Interessierten. Es erwarten Sie Vorträge, Symposien, Workshops und dazwischen viele Gelegenheiten, miteinander ins Gespräch zu kommen.