Seit dem 1. Juli 2023 ist das neue Personalbemessungsverfahren (PeBeM) für die stationäre Altenpflege in Kraft. Korian Deutschland nutzt diese Chance, durch fundierte Organisationsentwicklung die Zukunft der Pflege erfolgreich zu gestalten.
Es kann sicher behauptet werden, dass PeBeM den bislang größten Veränderungsprozess darstellt, der in der Pflegebranche je organisiert und umgesetzt werden musste.
Bis zum Jahr 2025 wird das alte System in allen Korian-Häusern schrittweise durch das neue ersetzt. Jeden Monat starten damit mehrere Einrichtungen in die etwa sechs Monate dauernden Change- und Entwicklungsprozesse.
Die regionale Projektsteuerung liegt bei den Gebietsleitungen, wobei sie von regionalen Implementierungsteams und Change-Moderator:innen unterstützt und begleitet werden. Sebastian Stauer ist Gesamtprojektleiter für die Umsetzung von PeBeM bei Korian.
Was ist PeBeM?
Seit dem 1. Juli 2023 gilt eine Neuordnung in Bezug auf die Personalausstattung in stationären Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene. Dieses neue Modell, PeBeM (Personalbemessungsverfahren), wurde auf Basis von Forschungsarbeiten von Prof. Heinz Rothgang von der Universität Bremen entwickelt, die im Auftrag der Bundesregierung durchgeführt wurden. Ziel war es, ein einheitliches Personalbemessungsinstrument für ganz Deutschland zu schaffen.
PeBeM stellt eine signifikante Veränderung hinsichtlich des Personalmixes dar: Anstatt des bisherigen Verhältnisses von 50 % Fachkräften zu 50 % Hilfskräften wird nun ein Verhältnis von 30 % Hilfskräften, 30 % Assistenzkräften und 40 % Fachkräften angestrebt.
Mit der Einführung von PeBeM profitieren Pflegeeinrichtungen von einer (höheren) Personalausstattung mit individuellem Qualifikationsmix. Es geht dabei um drei Qualifikationsstufen: Hilfskräfte, ausgebildete Assistenzkräfte und Fachkräfte. Für jede Qualifikationsstufe und jeden Pflegegrad ist rechnerisch eine bestimmte Menge an Personal (in sog. Vollzeitäquivalenten) vorgesehen. Eine durchschnittliche Pflegeeinrichtung kann somit insgesamt mehr Personal vorhalten. Dadurch werden Pflegefachkräfte unterstützt und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt.
Mit PeBeM lässt sich sowohl die Pflegequalität für die Bewohner:innen als auch die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden optimieren.
Infobox
Die Personalanhaltswerte (Personalschlüssel) geben an, wie viel Personal mit welchen Qualifikationen für die Versorgung der Pflegebedürftigen in den verschiedenen Pflegegraden im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen vereinbart werden kann. Es handelt sich dabei nicht um eine absolute Anzahl an Pflegepersonen, die ständig oder zu bestimmten Zeiten anwesend sein müssen, sondern nur die Gesamtzahl des angestellten Personals. Der Personalschlüssel ist das Verhältnis zwischen Pflegepersonal und Pflegeempfängern. Es gilt: Je höher der Gesamtpflegegrad der Bewohner einer Einrichtung ist, desto geringer ist die Anzahl der Bewohner, um die sich eine einzelne Pflegekraft kümmern muss. Bislang war der Personalschlüssel je nach Bundesland unterschiedlich gewichtet.
Neue Wege gehen
Die Einführung des neuen Verfahrens geschieht Schritt für Schritt, damit das Team entsprechend der Kompetenzen der Mitarbeitenden sowie durch Weiterqualifizierung und Anpassung der Aufgabenbereiche aufgebaut werden kann. Korian stellt sich dieser Herausforderung mehr als 200 Mal.
Zwar durchlaufen alle Einrichtungen die gleichen Prozess-Schritte, dennoch erfolgt die Umsetzung stets individuell und mit eigenen maßgeschneiderten Lösungen, Visionen und Zielbildern. Dieser Freiraum ist notwendig, denn natürlich herrschen in jeder Einrichtung andere Bedingungen hinsichtlich Versorgungsformen, Personalzusammensetzung und baulichen Gegebenheiten.
Organisationsentwicklung
Parallel zu der neuen Personalbemessung beginnt Korian in einer Vorreiterstellung mit Schritten der Organisationsentwicklung, um seine Einrichtungen in Zukunft gegen den Fachkräftemangel fit zu machen.
In den Einrichtungen wird die feste Zuteilung zu Wohnbereichen aufgehoben. Stattdessen werden qualifikationsorientierte Touren „von Bewohner:in zu Bewohner:in“ durch die gesamte Einrichtung oder stark vergrößerten Wohnbereichen eingeführt. Diese orientieren sich an den Bedürfnissen der Bewohner:innen sowie den Kompetenzen der Mitarbeitenden.
Dies ermöglicht den Mitarbeitenden größere Flexibilität in ihrer Arbeit, die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigt und durch die qualifikationsbezogenen Touren, wird die Bezugspflege bereits aktiv über die Dienstplanung gesteuert, die Dienstkürzel entsprechen den Tourenkürzeln.
Change-Management
Sebastian Stauer ist selbst Pflegefachkraft und weiß um die aktuellen Herausforderungen der Branche:
Wir müssen die Gelegenheit nutzen, die Zukunft der Pflege neu zu gestalten, statt den aktuellen Zustand weiter zu verwalten.
Es gilt sämtliche Abläufe und Gewohnheiten zu hinterfragen, aufzubrechen und komplett neu aufzusetzen. Beispielsweise die grundpflegerische Versorgung aller Bewohner: innen vor dem Frühstück. Es mag banal klingen, aber wenn ein Bewohner sowieso lieber abends duschen möchte, lassen sich dadurch Stoßzeiten der pflegerischen Grundversorgung in den Morgenstunden stark entzerren, was zu einer gleichmäßigeren und gerechteren Arbeitsverteilung führt. Durch die größeren Teams können Ausfälle leichter ausgleichen bzw. ein nachhaltiges Ausfallmanagement implementiert werden, welches bestehende Überstunden reduziert und neuen Überstunden vorbeugt.
Man muss sich klar machen, dass die Einrichtungen durch PeBeM komplett auf den Kopf gestellt werden. Alles wird völlig neu organisiert, die Teamstruktur verändert sich. Schon ein normaler Change-Prozess löst Emotionen und Widerstände aus, erst recht ein so radikaler Umbruch wie PeBeM. Das ist auch für die Mitarbeiter nicht einfach, da kann man schon verstehen, dass die auch mal meutern.
Interne Change-Moderator:innen
Eine weitere Hilfestellung bietet die Implementierung interner Change-Moderator:innen. Change-Management geht über die Implementierung neuer Strukturen, Prozesse und Verhaltensweisen hinaus. Es erfordert professionelle Unterstützung und Steuerung, um sicherzustellen, dass Neuerungen erfolgreich eingeführt und umgesetzt werden.
Hier kommen die Change-Moderator:innen ins Spiel. Sie sind unerlässlich, um den Teams vor Ort dabei zu helfen, Veränderungen zu verstehen und in der Praxis umzusetzen. Die 30 Change-Moderator:innen werden umfassend geschult und erhalten Werkzeuge, die sie benötigen, um anstehende Veränderungen erfolgreich zu bewältigen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf zwischenmenschlichen Aspekten: Wie kommuniziert und vermittelt man optimal im Team? Wie schafft man Verständnis für veränderte Prozesse und Werte? Wie begleitet man verschiedene Emotionen und überwindet Widerstände?
Große Veränderungen, egal ob im privaten oder beruflichen Umfeld, lösen meist starke Gefühle aus. Change-Prozesse verlaufen in der Regel nicht gradlinig, sondern führen durch Tiefen der Verunsicherung, Ängste und Widerstände.
Die Change-Kurve, ein effektives Werkzeug aus dem Change-Management, illustriert die sieben üblichen Entwicklungsschritte von Emotionen und Reaktionen, die von Einzelpersonen und Teams während eines Veränderungsprozesses erlebt werden. Die visuelle Darstellung hilft den Beteiligten dabei, die psychologischen Aspekte von Veränderungen zu erkennen, zu verstehen und besser einzuordnen.
Sondertagungen der Pflegedienstleitungen und Einrichtungsleitungen
Um die Einrichtungen bei der Umsetzung von PeBeM so gut wie möglich zu begleiten, wurden Sondertagungen für Pflegedienstleitungen (PDL) und Einrichtungsleitungen (EL) abgehalten. Dabei wurden den Teilnehmenden die Grundlagen zur Umsetzung der neuen Personalbemessung vorgestellt und auch individuelle Strategien gemeinsam erarbeitet. Projektleiter Sebastian Stauer und Axel Hopfe, Mitglied der Geschäftsleitung, waren sehr erfreut über die hohe Teilnahmequote und die Motivation der Teilnehmenden. Axel Hopfe:
Eine TOP Veranstaltung – die PDLs und ELs haben den Aufbruch-PeBeM-Spirit mitgenommen. Man hat richtig den Eindruck, wir wollen und können gemeinsam die Pflege verändern.
Drei unserer Einrichtungen haben PeBeM bereits als Piloten umgesetzt: Haus Evergreen in Bergneustadt, Haus der Betreuung und Pflege Vienenburg in Goslar und Haus Phönix in Teublitz. Ein großer Vorteil für alle weiteren Einrichtungen und Projektverantwortlichen, um von den bisherigen Erfahrungen zu profitieren.
Trotz der immensen Herausforderung fällt das Fazit von Stephanie Ochel, EL Haus Evergreen, Cindy Blumberg, zentrale Praxisanleiterin Haus der Betreuung und Pflege Vienenburg und Elwira Unger, EL Haus Phönix durchweg positiv aus: PeBeM lohnt sich.
PeBeM bringt zahlreiche Vorteile:
- Eine flexiblere Einsatzplanung, die einfacher auf Bedarfsänderungen oder Personalausfälle reagieren kann.
- Pflegekräfte haben mehr Zeit für die individuelle Betreuung der Bewohner:innen und können Beziehungen aufbauen (Bezugspflege).
- Durch die variablere Einsatzplanung fallen praktisch keine Überstunden mehr an, der Dienstplan ist verlässlicher und die Freizeit- und Urlaubsplanung ist gesichert.
- Der Teamgeist wird gestärkt, denn aus verschiedenen stationsbezogenen Teams wird ein großes „Hausteam“.
- Letzen Endes entsteht so Freiraum für kreative Ideen: Dank Zeitgewinn, weniger Stress, besserer Work-LifeBalance und insgesamt mehr Zufriedenheit, können ganz neue Angebote für die Bewohner:innen entstehen.
To be continued
Die Einführung von PeBeM stellt sicherlich eine große Herausforderung dar, doch ist sie gleichzeitig die größte Chance Pflege neu zu denken, eine hohe Qualität durch kompetenzorientierte Bezugspflege sicherzustellen und bessere Arbeitsbedingungen für das Personal zu schaffen.
Korian freut sich auf die Verbesserungen, die PeBeM für alle Beteiligten mit sich bringen wird. Der positive Rückblick auf die drei Piloten und die ersten zehn Einrichtungen, die das Projekt bereits abgeschlossen haben gibt weiteren Ansporn.