Demenz und Kommunikation: mehr als nur Worte

12.05.2025

10 Minuten Lesedauer

Demenz und Kommunikation: mehr als nur Worte

Kommunikation ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Sie ermöglicht uns, Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken und mit anderen in Verbindung zu treten. Kommunikation umfasst nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch Mimik, Gestik, Körperhaltung, Tonfall und Berührungen. Gerade bei Menschen mit Demenz verändern sich die kommunikativen Fähigkeiten im Verlauf der Erkrankung grundlegend.

Herausforderung der Kommunikation bei Demenz

Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Abbau geistiger Fähigkeiten einhergehen. Eine der häufigsten Formen ist die Alzheimer-Krankheit. Im Verlauf der Erkrankung verändern sich die Kommunikationsfähigkeiten der Menschen mit Demenz erheblich. Mit fortschreitender Demenz fällt es vielen zunehmend schwer, Gedanken in Worte zu fassen, Gesprächen zu folgen oder Gesagtes zu verstehen. Gründe dafür sind:

  • Nachlassende Gedächtnisleistung: Namen, Begriffe oder Zusammenhänge werden vergessen. Dieselbe Frage wird mehrfach gestellt.
  • Sprachstörungen: Wörter werden verwechselt, Sätze bleiben unvollständig.
  • Verändertes Sprachverständnis: Ironie, abstrakte Begriffe oder komplizierte Sätze führen zu Missverständnissen.
  • Abnehmende Konzentration: Längere Gespräche oder mehrere bzw. komplexe Fragen überfordern.
  • Beeinträchtigte zeitliche Orientierung: Verwechslung von Vergangenheit und Gegenwart.

Kommunikation im Verlauf der Erkrankung

Im Verlauf der Erkrankung nimmt die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation ab, während nonverbale Signale – wie ein Lächeln, Berührungen oder der Tonfall – immer wichtiger werden.

  • Frühstadium: Anfangs sind es oft Wortfindungsstörungen oder Wiederholungen sowie beginnende Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen.
  • Mittleres Stadium: Es kommt zu zunehmenden Problemen beim Verstehen und Ausdrücken von Sprache. Im mittleren Stadium werden Gespräche kürzer, Missverständnisse häufen sich.
  • Spätstadium: In fortgeschrittenen Phasen kommt es häufig zum Verlust der sprachlichen Fähigkeiten. Daher wird nonverbale Kommunikation zentral: Gestik, Mimik. Blickkontakt.

Diese vielfältigen und fortlaufenden Veränderungen können zu Missverständnissen und Frustration auf beiden Seiten führen. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Menschen mit Demenz nicht absichtlich „schwierig“ sind, sondern dass ihre Fähigkeit zur Kommunikation durch die Krankheit beeinträchtigt ist. Dies erfordert im Kontakt mit Menschen mit Demenz Geduld, Empathie und angepasste Kommunikationsstrategien.

Grundlagen für eine gelingende Kommunikation

Gute Kommunikation mit Menschen mit Demenz ist möglich, wenn wir uns auf ihre Welt einlassen, Geduld zeigen und unsere Sprache anpassen. Es geht nicht darum, alles „richtig“ zu machen, sondern um echtes Interesse, Wertschätzung und das gemeinsame Erleben von Momenten. Oft sind es die kleinen Gesten, die am meisten verbinden.

Um die Kommunikation mit Menschen mit Demenz zu erleichtern, sollte auf folgendes geachtet werden:

  • Geduld und Wertschätzung sind entscheidend: Menschen mit Demenz spüren, wie mit ihnen gesprochen wird – auch wenn sie nicht jedes Wort verstehen.
  • Die eigene Haltung zählt: Ein ruhiger, freundlicher Ton und echtes Interesse vermitteln Sicherheit und Geborgenheit.
  • Die Kommunikation sollte sich am aktuellen Stand der Fähigkeiten orientieren – Überforderung vermeiden, aber auch nicht „wie mit einem Kind“ sprechen.

Praktische Tipps für die Kommunikation:

  • Blickkontakt aufnehmen, auf Augenhöhe sprechen, den Namen nennen.
  • Kurze, klare Sätze verwenden, langsam und deutlich sprechen.
  • Fragen so stellen, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können oder maximal zwei Alternativen bieten („Möchtest du Tee oder Kaffee?“).
  • W-Fragen („Wer, was, wo, wie, wann?“) sind besser als „Warum“-Fragen, da sie keine logischen Erklärungen verlangen.
  • Wichtige Informationen wiederholen, dabei immer dieselbe Formulierung nutzen.
  • Positive Formulierungen wählen, Ironie und Fachbegriffe vermeiden.
  • Worte mit Gestik und Mimik unterstützen.
  • Berührungen können Sicherheit und Nähe vermitteln, sofern sie gewünscht sind.
  • Dem Menschen Zeit zum Antworten geben – Pausen aushalten und nicht gleich nachfragen.
  • Unterbrechungen oder Korrekturen vermeiden.
  • Über vertraute, biografische Themen aus der Vergangenheit sprechen.
  • Gemeinsame Aktivitäten (z.B. Musik hören, Fotos anschauen) nutzen, um Erinnerungen und Gefühle zu wecken.
  • Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse der Person zeigen. Dabei genau auf die Körpersprache der Person achten, um ihre Bedürfnisse besser zu verstehen.
  • Gespräche in einer ruhigen, vertrauten Umgebung führen.

Validation: Die Welt des Gegenübers (an)erkennen

Die Validation ist eine Kommunikationsmethode, die von Naomi Feil entwickelt wurde. Sie basiert auf der Grundhaltung, die subjektive Realität von Menschen mit Demenz anzuerkennen und wertzuschätzen, anstatt sie zu korrigieren. Menschen mit Demenz leben zunehmend in ihrer eigenen Realität, die für Außenstehende oft schwer nachvollziehbar ist. Die Methode der Validation hilft, Menschen mit Demenz in ihrer Gefühls- und Erlebniswelt ernst zu nehmen und abzuholen. Dies kann dazu beitragen, Spannungen zu reduzieren und das Wohlbefinden der Menschen mit Demenz zu steigern.

Wichtige Grundsätze der Validation sind:

  • Akzeptanz: Ohne Bewertung auf die Realität der Person eingehen. Nicht widersprechen oder korrigieren, sondern akzeptieren, was gesagt wird – auch wenn es aus der eigenen Sicht „nicht stimmt“.
  • Empathie: Einfühlendes Verständnis für die Gefühle der Person. Auf Gefühle eingehen: Wenn jemand „nach Hause will“, steckt oft das Bedürfnis nach Geborgenheit dahinter.
  • Authentizität: Ehrliche und echte Äußerungen. Nonverbale Kommunikation verstärken: Ein Lächeln, eine sanfte Berührung oder ein freundlicher Blick sagen oft mehr als viele Worte.

Beispiele für Validation:

  1. „Wo ist denn meine Mama?“
    Eine Person mit Demenz fragt immer wieder nach ihrer Mutter, obwohl sie selbst schon sehr alt ist. Anstatt zu erklären, dass die Mutter längst verstorben ist, wird ihre emotionale Realität anerkannt:
  • „Ja, die Mama ist unersetzlich. Ich liebe meine Mama auch.“
  • „Was hast du denn gern mit deiner Mutter gemacht?“
  • So fühlt sich die Person mit Demenz verstanden und kann über ihre Gefühle sprechen.
  1. „Ich muss kochen. Die Kinder haben Hunger.“
    Eine Seniorin äußert nachts, sie müsse für ihre Kinder kochen. Statt sie zu korrigieren („Deine Kinder sind doch längst erwachsen“), wird auf das Bedürfnis eingegangen:
  • „Du kochst ja gerne, das weiß ich. Was ist dein Lieblingsrezept?“
  • Das Gespräch lenkt die Aufmerksamkeit auf positive Erinnerungen und beruhigt die Seniorin mit Demenz.
  1. Ausdruck von Traurigkeit oder Verlorenheit
    Eine Person mit Demenz sagt: „Ich habe mich selbst verloren.“ Statt mit Ironie zu reagieren, wird empathisch geantwortet:
  • „Ich habe dich nicht verloren.“
  • „Ich freue mich immer, wenn ich dich sehe.“
  • Das gibt Sicherheit und Wertschätzung.

Grundsätzlich helfen bei der Validierung auch der Einbezug der Biografie, bekannter Vorlieben und verschiedener Sinneseindrücke. Hat eine Person mit Demenz beispielsweise erzählt, dass sie früher immer gesungen hat und hat nun Schwierigkeiten beim Einschlafen kann abends zusammen etwas gesungen werden. Dies kann beruhigend wirken und bei Einschlafen unterstützen.

Fazit:

Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz erfordert Einfühlungsvermögen, Geduld und Anpassungsfähigkeit. Durch das Einstellen auf die veränderten Bedürfnisse und das Nutzen von Methoden wie der Validation kann eine wertschätzende und unterstützende Beziehung aufrechterhalten werden. Dies trägt nicht nur zum Wohlbefinden des Menschen mit Demenz bei, sondern erleichtert auch den Alltag der Angehörigen.

Quellen:

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Zuletzt Aktualisiert am: 12.05.2025

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