02. Oktober 2023
Einen guten Koch bringt nichts aus der Ruhe. Deshalb verzieht Pascal Freith keine Miene, als die Sonne hinter den Wolken hervortritt, auf die Terrasse der schönen Anlage am Rhein brezelt und den jungen Mann voll im Gesicht trifft. Er spricht einen angefangenen Satz zu Ende, grüßt zwei Bewohnerinnen, die neben ihm Platz genommen haben und kümmert sich erst dann um die Folgen der spontanen Hitzewelle – ein paar Schweißperlen.
Seit sechs Jahren hat der 32-jährige das Kommando in der Küche des großzügigen Hauses auf der linken Rheinseite. 22 Leute zählt sein Team, davon sind die meisten Servicekräfte. Hinzukommen Küchenhilfen, Spüler und drei Köche – einer davon ist er selbst.
Freith hat mit dem Preis überhaupt nicht gerechnet – vielleicht ist er deshalb besonders hoch zu bewerten. Denn: „Niemand hat sich nur dafür angestrengt, wir arbeiten immer auf diesem Level“, sagt er, „aber Dritter Platz von insgesamt 150 Küchen, das ist schon was“.
Auf diesem Level zu kochen, heißt für Freith in erster Linie immer frisch und zielgruppenorientiert zu agieren. Nur ist hier die Zielgruppe eine andere als in einem herkömmlichen Restaurant. Es sind alte Menschen, die von Freith und seinem Team bekocht werden. Eine Frau ist 105 Jahre alt, mehr als eine Handvoll der Klientel bringt es auf eine dreistellige Jahreszahl.
Das heißt, dass Gemüse und Fleisch einen Hauch länger garen, als es vielleicht in einem Sterne-Haus gefragt ist. „Die Menschen sollen sich nicht nur in puncto Geschmack, sondern auch beim Kauen und Schlucken wohl fühlen“, sagt er.
Auch mit modernen Bezeichnungen oder zu modernen Gerichten sollte man sich zurückhalten, findet Freith. Chichi sei nicht gefragt. „Man muss sich immer vor Augen halten, dass hier vor allem Menschen leben, die mit Klassikern aufgewachsen sind. Sie lieben Eintöpfe, Frikadellen. Sonntags muss es einen Braten geben“, sagt Freith.
Die Gewohnheiten und Faibles mit modernen Ernährungsprinzipien sowie den Regularien des Unternehmens in Einklang zu bringen, ist ein Balanceakt, den Freith und sein Team offenbar klasse meistern. Wichtig sei, immer auf der Höhe zu sein, was es an neuen Erkenntnissen gebe. Dafür könne man das Intranet und Ernährungsberater konsultieren.
Am wichtigsten ist dem Koch ohnehin, dass es seinen Gästen schmeckt und sie sich gut und aufmerksam behandelt fühlen. Das Feedback ist mit ganz wenigen Ausnahmen fast immer gut. Es wurde sogar schon mal nach einem besonders guten Weihnachtsmenü von Bewohnern eine kleine Stiftung gegründet. „Da zahlten die kleine Beträge für die Mitarbeiter ein, damit wir am Ende des Jahres davon eine gemeinsame Feier veranstalten konnten“, erzählt Freith.
Was sollte man – neben der Ruhe – eigentlich noch mitbringen, um in diesem Beruf Spaß zu haben und erfolgreich zu sein? „Man muss affin sein, und gut organisiert“, behauptet Freith. Zumindest wenn man in diese Position aufsteigt.
Zwar werden Freith und sein Team zweimal die Woche mit Basisprodukten beliefert, Gemüselieferungen finden jedoch nur auf Abruf statt und der Rest wird auf den Punkt eingekauft. Leckerbissen wie der Kaiserschmarren, der heute auf dem Speisplan steht, werden natürlich nicht gekauft, sondern selbst gemacht. „Dafür steht ein Kollege vier Stunden lang an der Pfanne, danach wird der gezupft und später im Ofen regeneriert“, sagt Freith. „Regeneriert“ bedeutet: Er wird kurz vor Ausgabe in einem modernen Gerät mit Dampf und Wärme noch einmal erwärmt. Auch das Pflaumenkompott stellen die Kollegen selbst her.
Steaks werden schon zwei Tage vorher geschnitten und lecker mariniert. Später heißt es auch hier: eher schmoren als kurzbraten. Bei Eintöpfen dagegen gilt: „Zweimal aufgewärmt schmeckt‘s besser als beim ersten Mal“, so Freith.
Abgesehen davon ist es wichtig, den Servicegedanken verinnerlicht zu haben – das gilt vor allem für die Kräfte, die die Bewohner des großen Heimes bedienen; ganz gleich, ob es solche aus dem Betreuten Wohnen oder aus dem stationären Pflegebereich sind. „Und wenn jemand eine Kugel Eis möchte, dann bekommt er die von uns gebracht – auch wenn wir dafür in den fünften Stock müssen“, sagt der Küchenchef.
Natürlich muss man sich auch zu helfen wissen, wenn mal etwas schief geht im hektischen und komplexen Küchenbetrieb. „Klar ist mal eine Sauce so abgebunden, dass die nicht die richtige Konsistenz hat, es ist auch mal etwas versalzen“, konzediert Freith. Dann schreiten er und die ganz erfahrenen Kräfte ein und versuchen, noch etwas zu kompensieren oder rauszuholen.
Der Rest ist Kommunikation. „Man muss eben auch mal die Größe haben und die Hintergründe mitteilen. Zum Beispiel, dass die Reibekuchen frisch gemacht wurden und jetzt eben keine mehr da sind.“
Es sind ein paar neue Schweißtropfen dazu gekommen. Jetzt zieht es Freith in den Schatten, zurück in die Küche. Vorher noch ein Rundum-Blick über die angewachsene Gästeschar auf der Terrasse und im geräumigen Speiseraum, ein nettes Lächeln für die Dame, die mit ihrer Gehhilfe am Salatbuffet Station gemacht hat. Dann tritt er entschlossenen Schritts in die Küche, die automatische Tür geht hinter ihm zu. Im Saal sitzen zufriedene Senioren und genießen.
Fakten über Freith
Pascal Freith ist seit sechs Jahren Küchenleiter in der Seniorenresidenz Curanum Köln am Rhein, die es seit 26 Jahren gibt.
Angefangen hat der Mann aus Siegburg im Jahr 2003 mit einer dreijährigen Ausbildung zum Koch. Er blieb noch ein Jahr als Jungkoch im Betrieb – dem Restaurant „Loreley“ in Königswinter. Danach wechselte er ins Restaurant seines Onkels nach Lohmar, bevor er das erste Mal in eine Curanum-Einrichtung ging – zunächst als Koch, dann als Küchenleiter. Im Juni 2012 der Sprung an die Rheinbeuge.
Vor drei Jahren absolvierte der „leidenschaftliche Fleischesser“ berufsbegleitend bei der IHK in Koblenz noch die Zusatzqualifikation zum Verpflegungsbetriebswirt.
Mit seinem 22-köpfigen Team kocht er sieben Tage die Woche das komplette Jahr im Schichtdienst. Von morgens früh bis zum Abend – zwischendurch gibt es Kaffee, Kuchen, bis hin zur Vollpension.
Zu den Aufgaben Freiths gehören nicht nur Kochen und logistische Themen, sondern auch Personalführung und Einstellung.
Freith ist verlobt, hat zwei Kinder. Und wer kocht zuhause? „Eher die Frau“, sagt er und grinst. Und wie schlägt sie sich? „Kann man mit arbeiten“, sagt er und grinst noch einmal.