19. Mai 2023
Was passiert, wenn ein Wäschestück schmutzig ist und gewaschen werden muss, kann privat wohl jeder beantworten – dann wird es in die Waschmaschine gesteckt, getrocknet, zusammengelegt und wandert zurück in den Schrank. So einfach ist das in einer Seniorenpflegeeinrichtung bei weitem nicht. Wenn ein Korian-Bewohner ein Wäschestück zur Reinigung ablegt, hat dieses eine ungleich längere Reise zurückzulegen.
Dies ist die Geschichte einer gebrauchten Jeans auf dem Weg zur Reinheit.
Sonntagabend in einer der 234 Korian-Einrichtungen. Erster Stock. Zimmer 174. Bernhard P. blickt auf einen ereignisreichen Tag zurück, während er sich fürs Zubettgehen bereit macht. Die Söhne waren zu Besuch, es wurde viel gelacht und am späten Nachmittag hat er gemeinsam mit einem befreundeten Bewohner die ZDF-Sport-Reportage geschaut. Jetzt ist er müde, aber zufrieden und entledigt sich – unter anderem – seiner Jeans. Die hat in den vergangenen drei Tagen einiges abbekommen und muss ausgetauscht werden – ab in den Wäschesack damit. Dazu noch drei Paar Socken, Hemden, Unterhosen der Trainingsanzug.
Während P. am nächsten Tag einfach mit einem neuen Beinkleid in die Woche geht, startet seine Jeans in einen Kreislauf, den tausende von Wäschestücken Woche für Woche in der Korian-Welt durchlaufen.
Pflegepersonal hat den Wäschesack von P. auf den Wagen gelegt und mit auf Tour durchs Haus genommen. Alle Säcke mit gebrauchter Wäsche landen dort und am Ende der Fahrt werden die gesammelten Textilien im Bewohner-Wäsche-Container verstaut. P.s Jeans liegt jetzt neben gebrauchten Handtüchern, Unterhosen, T-Shirts und Strümpfen.
Zweimal pro Woche zu festen Zeiten kommt ein Fahrer in P.s Einrichtung vorbei und schiebt den Container über eine Rampe auf seinen Laster, auf dem sich bereits zahlreiche dieser Metallbehälter befinden. Noch eine Station im 28 Kilometer entfernten Mittelgebirgs-Städtchen, dann ist der Wagen voll und es geht zurück nach Kaisersesch – in die Korian-Wäscherei.
Das Unternehmen in dem kleinen rheinland-pfälzischen Ort ist inzwischen ein Exklusiv-Betrieb. Bis 2006 wurden hier diverse Branchen versorgt, bis er von Curanum übernommen wurde und sich auf Senioreneinrichtungen spezialisierte. 73 der 234 Korian-Häuser werden regelmäßig von der Wäscherei bedient.
Die Bremsen des 12-Tonners zischen, das Gefährt hat zentimetergenau vor der Rampe geparkt. Die Entladung der frisch angekommenen Gebraucht-Ware kann beginnen.
Aus Sicht der Wäscherei wird das, was täglich am „Empfang“ eintrifft, in drei verschiedene Kategorien eingeteilt. „Prinzipiell gibt es die Bewohner-Wäsche sowie die Flachwäsche, womit in erster Linie Laken, Bettwäsche und Handtücher gemeint sind“, sagt Betriebsleiterin Monika Schnobel, „dazu kommt auch noch ein geringer Teil infektiöser Wäsche“.
Damit alles gut zu unterscheiden ist und nichts durcheinander kommt, haben die Säcke unterschiedliche Farben. Weiß bedeutet: Flachwäsche, rosafarbene Beutel zeigen Inkontinenz-Textilien, Infektiöses leuchtet gelb und in blau kommt die Bewohner-Wäsche daher.
Unsere Jeans hat die Reise bis hier, in den so genannten unreinen Bereich, gut überstanden. Wie alle anderen der 25.000 Teile, die hier täglich gewaschen werden, wandert sie zunächst in eine Wäschewanne. Von dort geht es an die nächste Station im Haus: die EDV-gestützte Ein- und Ausgangskontrolle.
Ein Lesegerät checkt mittels Scanner, ob das Wäschestück einen Patch hat. Da Herrn P.s Jeans nicht zum ersten Mal in Kaisersesch vorbeischaut, trägt sie bereits dieses kleine Stück Stoff, das verrät, wem die Hose und in welches Haus sie gehört. Eine Mitarbeiterin lässt die Jeans passieren, der Besitzername leuchtet auf dem Display auf. Die nachfolgende Bluse darf dagegen nicht sofort weiter. Patch fehlt. Er wird manuell erstellt, ausgedruckt und angefügt.
Eine Station später wird sortiert. „Wir differenzieren nach heller, dunkler und Leibwäsche“, erklärt Schnobel, „anschließend geht es ab in die 35 Kilo Waschstraßen.“
Die Jeans wird bei 40 Grad gewaschen. Im Gegensatz zur Methode im heimischen Waschkeller wird die Bewohnerwäsche in Kaisersesch höchstens auf 40 Grad erhitzt. Für die gründliche Sauberkeit sorgt der richtige Mix an zugegebenen Chemikalien – vom fettlösenden Mittel bis hin zur Ameisensäure.
Wir haben die Schleuse passiert, die den „unreinen“ vom „reinen Bereich“ trennt. Kurzer Druck auf den Bügel, ein Schuss Desinfektionsmittel auf die Hände, Tür 2 öffnet und schließt sich. Wir befinden uns nun in einer zweiten, riesigen Halle. Es riecht frisch, Maschinen summen – der saubere Teil.
P.s Jeans ist schon da. Grade wurde sie entladen und bereit gemacht für den Trockner. Während die Flachwäsche überwiegend Teil eines automatischen Prozesses ist, „erfordert die Bewohnerwäsche noch viel Handarbeit“, so Schnobel, „sie muss manuell sortiert, in den Trockner gefüllt und wieder entnommen werden“.
Das gilt auch fürs Zusammenfalten, wenn die gereinigten Wäschestücke gut getrocknet sind.
Jetzt wieder der Scan, unsere Jeans wird ausgelesen, wiedererkannt und weitergeschoben. Wiedersehen mit alten Bekannten. P.s Jeans trifft P.s Unterhose, Hemden und Socken wieder. Alles wird nun zu einem Stapel gebündelt, mit einem Lieferschein versehen und maschinell verpackt. Dann noch die Cellophanierung und eine weitere Zuordnung – die zum Haus-Container.
Die Jeans hat ihre längste Zeit in der Wäscherei hinter sich und ist bereit für den Rückweg. Am Warenausgang befindet sich ebenfalls eine Rampe, über die ein Fahrer seinen LKW für die Auslieferung belädt.
„Unser Fuhrpark umfasst vier Fernverkehr-Lkws, also 12-Tonner mit Anhänger und Schlaf-Kabinen“, sagt Monika Schnobel. „Dazu kommen noch fünf weitere 12-Tonner als Solo-Fahrzeuge und zwei Sprinter.“
Der Fuhrpark ist eine eigene Unit in der Organisation, weitere sind die Bereiche Flachwäsche und Bewohnerwäsche. Zu der Abteilungsleitung Flachwäsche und dem Abteilungsleiter Fuhrpark kommen noch ein Produktionsleiter, drei Techniker, Verwaltungspersonal und zwei Außendienstmitarbeiter hinzu. Insgesamt arbeiten 160 Personen in der Großwäscherei – und Monika Schnobel führt sie.
Auf was kommt es an in dieser Position? „Man sollte die Abläufe gut kennen, über potenzielle Problemstellen Bescheid wissen und in erster Linie den Menschen gut zuhören können“, fasst sie zusammen. Sie scheint es gut hinzubekommen, denn die Stimmung ist bei aller Betriebsamkeit entspannt, ein Rädchen greift ins andere, das Team funktioniert.
Und die Jeans? Ruckelt mit Tempo 95 Herrn P. entgegen. Sobald der Container an der Einrichtung angekommen ist, werden die Wäschepakete auf die Zimmer verteilt. Kurz darauf kann P. seine saubere und wohlriechende Jeans aus dem Schrank nehmen. Bereit für neue Unternehmungen.